Rauheit (Oberflächenrauheit)
Die Rauheit (Oberflächenrauheit; veraltet "Rauigkeit" oder „Rauhigkeit“) ist der Grad der Unebenheit einer Festkörperoberfläche unterhalb der Größenskala ihrer Form oder Welligkeit, aber oberhalb der Unregelmäßigkeit von Kristallgitterstrukturen. Die Rauheit hat Einfluss auf die Benetzbarkeit eines Festkörpers.
Wie hängen Rauheit und Benetzbarkeit zusammen?
Die Rauheit hat Auswirkungen auf die Benetzbarkeit eines Festkörpers und damit auf den Kontaktwinkel einer Flüssigkeit sowie auf die Adhäsion. Eine Faustregel besagt, dass Rauheit die Benetzung bei kleinen Kontaktwinkeln noch verbessert (Winkel wird kleiner), bei großen Kontaktwinkeln verschlechtert (Winkel wird größer). Der Grenzkontaktwinkel der Benetzbarkeit, der den Ausschlag in die eine oder andere Richtung bestimmt, liegt bei 90°. Die rauheitsbedingte Verringerung der Benetzung kommt bei superhydrophoben Oberflächen zum Tragen; sie wird häufig als Lotuseffekt bezeichnet.
Warum erhöht Rauheit bei gut benetzbaren Materialien die Benetzung und Adhäsion?
Bei Kontaktwinkeln unter 90° ist die Benetzung der Oberfläche für die beiden beteiligten Phasen insgesamt energetisch vorteilhaft. Da ein raues Material aufgrund der winzigen Vertiefungen eine größere Gesamtoberfläche als ein glattes aufweist und somit eine größere Benetzungsfläche anbietet, erhöht sich die Benetzbarkeit.
Die Nutzung dieses Effekts gehört zum praktischen Alltagswissen, wenn zum Beispiel Bauteile vor dem Lackieren oder Verkleben angeschliffen werden, um die Benetzung und Haftung zu erhöhen. Für Messungen der Oberflächenspannung mit der Wilhelmy-Plattenmethode wird die Platin-Platte aufgeraut, um die Benetzung durch die Probe zu optimieren.
Wie hängen Rauheit und Superhydrophobie zusammen?
Extrem geringe Benetzbarkeit, auch Superhydrophobie genannt, entsteht durch die raue Oberflächentextur eines Materials, bei dem schon die glatte Oberfläche nicht benetzbar ist. Vereinfacht formuliert meidet die Flüssigkeit dabei die Vertiefungen der durch Rauheit vergrößerten Oberfläche, statt sie aufzufüllen. Das Fachwort für diesen Effekt lautet Kapillardepression im Gegensatz zur Kapillaradhäsion – in einer unbenetzbaren Kapillare zieht die Kapillarkraft die Flüssigkeit nicht nach innen, sondern drückt sie nach außen.
Wie wird der Einfluss der Rauheit auf die Benetzung wissenschaftlich beschrieben?
Wenzel [1] hat eine einfache Beziehung zwischen der Rauheit und dem Kontaktwinkel aufgestellt:
Dabei ist θ* der gemessene Kontaktwinkel. Dieser wird bei einer rauen Fläche als scheinbarer Kontaktwinkel bezeichnet, weil es sich um den Winkel der Tropfenkontur mit einer einer scheinbar geraden Profillinie handelt. θ ist der Kontaktwinkel, der auf einer glatten Oberfläche desselben Materials vorliegen würde und dem idealen Kontaktwinkel gemäß der Young’schen Gleichung entspricht. r wird als Rauheitsfaktor bezeichnet und gibt das Verhältnis der Gesamtoberfläche zur geometrisch auf eine Ebene projizierten Oberfläche an.
Anhand der Wenzelgleichung wird erkennbar, warum der Grenzwinkel für den Übergang von der Benetzungsverbesserung zur -verringerung bei 90° liegt. Da cos θ über 90° negative Werte annimmt, wird der scheinbare Kontaktwinkel größer. Allerdings kann die Wenzel-Gleichung dann nur bedingt angewendet werden, weil bei geringer Benetzung in der Regel nicht alle Vertiefungen der rauen Oberfläche mit Flüssigkeit gefüllt sind. Cassie und Baxter [2] haben die folgende Beziehung für einen Zustand formuliert, bei dem sich nur Teile der gesamten Oberfläche mit der Flüssigkeit in Kontakt befinden:
Lässt sich der Einfluss der Rauheit auf die Benetzung berechnen?
Es liegt nahe, anhand der Wenzelformel einen „rauheitskorrigierten“ Kontaktwinkel zu berechnen, um den Rauheitseinfluss auf die Benetzung nicht gesondert untersuchen zu müssen. In der Praxis ist eine solche Vorgehensweise jedoch mit großen Unsicherheiten behaftet. Eine von KRÜSS durchgeführte Studie [3] anhand von Oberflächen mit definierter Rauheit zeigt, dass der Rauheitseinfluss erheblich von dem nach Wenzel zu erwartenden Verhalten abweichen kann – bis hin zu einer Trendumkehr, bei dem ein gut benetzbares Material im rauen Zustand weniger benetzt wird.
Kann die Rauheit gemessen werden?
Ergebnisparameter für die Rauheit und geeignete Messverfahren sind in der Norm ISO 25178 definiert. Hervorzuheben sind dabei zerstörungsfreie Messungen durch berührungslose, optische Verfahren, zum Beispiel konfokale Mikroskopie. Andere Methoden verwenden zum Beispiel einen Luftstrom oder auch Vakuum und machen sich die Gasdurchlässigkeit beim Kontakt zwischen einer glatten und einer rauen Oberfläche zunutze.
Literatur
- [1] R. N. Wenzel, Resistance of Solid Surfaces to Wetting by Water. In: Ind. Eng. Chem. 28, Nr. 8, 1936, S. 988–994.
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[2] A.B. D. Cassie, S. Baxter, Wettability of Porous Surfaces. In: Trans. Faraday Soc. 40, 1944, S. 546–551.
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[3] P. Swolana, Ch. Weigel, T. Geiling, L. Dittrich, D. Frese: Benetzung und Rauheit – Was tun, wenn Wenzel nicht funktioniert? KRÜSS Application Report AR295, 2020.